Ein Sportkurs, der verbindet

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Bericht von Viktoria Pehlke: https://rp-epaper.s4p-iapps.com/artikel/1291278/35011353#
Das Projekt „Bewegung im Alter“ in Kooperation mit der „Fit im Alter“ Abteilung der TG Neuss sollte in Erfttal Senioren motivieren, gemeinsam fit zu bleiben. Was daraus entstanden ist, ist weit mehr als nur ein Sportkurs.

NEUSS | Bis sie 70 Jahre alt wurde, war Renate Los Tagesmutter. Sie hat täglich auf fünf Kinder aufgepasst, doch als sie in Rente ging und auch ihr Mann verstarb, war es auf einmal still um sie herum. Seit vier Jahren geht sie nun regelmäßig in das Bürgerhaus in Erfttal, um all die Dinge zu tun, für die als Tagesmutter keine Zeit blieb. Freundinnen treffen, Gesellschaftsspiele spielen und seit vergangenem Herbst auch gemeinsam Sport treiben.

„Bewegung im Quartier“ heißt das Angebot am Lotsenpunkt für Seniorinnen und Senioren im Bürgerhaus in Erfttal, das der Sportverband Neuss gemeinsam mit dem Sportamt anbietet. Am Mittwochmorgen treffen sich Seniorinnen aus dem Stadtteil, um gemeinsam mit Trainerin Birgit ‚Biggi‘ Flamm Sitzgymnastik zu machen. Zwölf Frauen sind in dieser Woche im Kurs, Biggi hat gelbe Gummibänder mitgebracht, mit denen sie Übungen für Arme, Schultern und Rücken machen. Auch Frauen im Rollstuhl sind dabei. Im Hintergrund tönt „Immer wieder geht die Sonne auf“ von Udo Jürgens aus einer kleinen Musikbox, die Frauen lachen und plaudern nebenbei. Die Übungen heißen „Kühe melken“ oder „Eier klauen“, sind einfach nachzumachen und trainieren nicht nur die Muskulatur, sondern auch die Koordination. Biggi macht sie vor und jede macht in ihrem Tempo mit. Es gibt keine Eile, „wir haben keinen Termin außer den Kaffee“, sagt Biggi.

Diana Tschampel ist mit 59 Jahren die jüngste Teilnehmerin im Kurs. Sie lebt schon lange in Erfttal und ist im Bürgerhaus bei Aktionen immer wieder aktiv. Früher ging sie dreimal wöchentlich ins Fitnessstudio, als sie dann anfing, ihre Mutter zu pflegen, blieb dafür keine Zeit mehr. „Bewegung im Quartier“ sei für sie eine Möglichkeit, wieder langsam mit dem Sport anzufangen, erzählt sie.

Viele Teilnehmerinnen sind nie besonders sportaffin gewesen. Oft mangelte es in der Vergangenheit an der Zeit, einige empfinden es aber auch als Hürde, allein etwas Neues anzufangen. Das beobachtet auch Gudrun Jüttner, die Projektleiterin vom Sozialamt der Stadt. Es brauche besonders niedrigschwellige Angebote, sodass sich auch diejenigen angesprochen fühlen, die sich nicht für Sport interessieren. „Der soziale Aspekt steht auf jeden Fall im Vordergrund“, sagt sie.

Im Anschluss an den Sportkurs bleiben die Teilnehmerinnen im Foyer des Bürgerhauses. Es gibt Kaffee, Kekse und kleine Käsewürfelchen, die im Eiltempo vertilgt werden. Renate Los hat Osterplätzchen für alle mitgebracht. Als das Programm im Herbst angelaufen ist, erzählt sie, wurde die Bezahlung noch komplett vom Sportamt der Stadt übernommen. Als die Fördermittel auszulaufen drohten und der Fortbestand des Kurses auf der Kippe stand, haben die Frauen sich eine Lösung überlegt. „Wir zahlen alle einen Beitrag dazu“, sagt sie. Sie wollten weiter jede Woche zusammen sein und sich fit halten.

„Bewegung im Alter“, erzählt Gösta Müller vom Sportverband Neuss, soll auch an Lotsenpunkten in den anderen Neusser Stadtteilen etabliert werden. In Meertal und Norf sei das Projekt auch angelaufen. Dennoch sei es nicht in allen Lotsenpunkten gleich erfolgreich. „Es liegt sehr am Engagement der Menschen an den einzelnen Lotsenpunkten“, sagt er. Auch Renate Los betont, wie sehr Carina Flick, die Organisatorin am Lotsenpunkt Erfttal, eingespannt ist: „Sie macht hier unglaublich viel Programm“, sagt sie.

Die größte Herausforderung sei es, sagt Gösta Müller, Seniorinnen und Senioren überhaupt zu erreichen. „Es gibt ältere Menschen, die sich in ihrem Zuhause einschließen“, sagt er. Carina Flick beobachtet immer wieder, wie Kursteilnehmerinnen erst nur zaghaft zur Kaffeestunde im Anschluss bleiben, nach einer Weile aber gerne dazukommen. Renate Los hat durch den Lotsenpunkt wieder Anschluss in ihrer Altersgruppe gefunden. Und auch Diana Tschampel bleibt ein festes Mitglied im Kurs. Erfttal, sagt sie, sei eigentlich wie ein Dorf, „hier halten die Leute zusammen.“

INFO

Bewegung für Senioren im Quartier

Termin Die Gruppe trifft sich jeden Mittwoch um 10 Uhr im Bürgerhaus in Erfttal, Bedburgerstraße 61.

Kontakt Ansprechpartnerin für das Projekt in Erfttal ist Carina Flick. Sie ist über buergerhaus-flick@skm-neuss.de erreichbar.