Das Gesicht der Tigers beendet seine Karriere

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Das Ziel immer im Blick: In mehr als sieben Jahren bei den Tigers der TG Neuss ging Jana Heinrich als Führungsspielerin stets voran.

Mit dem Spiel der Zweiten Basketball-Bundesliga bei den Rheinland Lions sagt Jana Heinrich nach 20 Jahren im Leistungssport ade.

Am Samstag, irgendwann zwischen 17.15 und 17.30 Uhr nimmt in der Sporthalle am Schulzentrum Herkenrath in Bergisch Gladbach still und leise eine große Basketball-Karriere ihr Ende. Wenn Jana Heinrich ihrem Sport, „den ich vom ersten Moment an, wo ich den Ball in der Hand hatte, geliebt habe“, mit der Zweitliga-Partie der TG Neuss Tigers bei den Rheinland Lions ade sagt, geht damit auch eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die in ihren mehr als sieben Jahren in der Quirinusstadt zum Gesicht ihrer Mannschaft geworden ist.

Ihr Wert für die Tigers, die mit ihr in der Startformation von einem Abstiegskandidaten auf Dauer zu einem Spitzenteam geworden sind, lässt sich natürlich anhand von Zahlen ausdrücken. So hat Hallensprecher Eiko Pate ermittelt, dass die gute Jana in 147 Liga-Spielen 1692 Punkte erzielt hat, was einen Schnitt von 11,5 Zählern ergibt. Mit ihrem sicheren Händchen bei Würfen von jenseits der Drei-Punkte-Linie sorgte sie für Angst und Schrecken in gegnerischen Abwehrreihen und entschied damit bis heute ungezählte Partien. Auch in der Verteidigung wusste sie die Vorzüge ihres 1,88 Meter großen Körpers in für ihre Mannschaft recht einträglicher Art und Weise zu nutzen. Kurz gesagt: Sie hat das 1891 von James Naismith in Springfield (Massachusetts) erfundene Spiel einfach verstanden.

Doch zu etwas Besonderem machen die inzwischen 35-Jährige Qualitäten, die Experten als Soft Skills bezeichnen – auch weiche Faktoren genannt, die direkt die Persönlichkeit betreffen und über fachliche Fähigkeiten hinausgehen. In zwei Jahrzehnten auf höchstem sportlichen Niveau in Marburg, Chemnitz, Krofdorf/Gleiberg und Neuss sowie am US-College bei den San Diego Aztecs hat sie Dinge zu schätzen gelernt, die mit Geld nicht zu bezahlen sind. Darum ist die in Dresden geborene und aufgewachsene Sächsin, die schon mit 15 Jahren ans Sportinternat Chemnitz gewechselt war, auch bei den Basketballerinnen der Turngemeinde, die sich trotz schmalem Budget seit 2010 im Bundesliga-Unterhaus halten, längst heimisch geworden.

Bei ihr klingt die Liebeserklärung, „der Verein ist für mich wie eine Familie“, nicht wie ein abgedroschener Spruch aus einem beliebigen Werbekatalog, sondern wahrhaftig. „Über die Jahre war es so schön, in Neuss zu spielen. Ich habe mit Freunden in der Halle gestanden. Die Fans sind supertoll!“ Mit einem Blick auf Abteilungsleiterin Angela Krings und Geschäftsführer Klaus Ehren, „die überragende Arbeit leisten“, fügt sie an: „Ich habe hier eine Wertschätzung erhalten, wie es sie in der 1. Liga, aber auch am US-College nicht gibt. Da geht es knallhart zur Sache.“ Genau darum hat sie auch den ursprünglichen Plan aufgegeben, heim zur Familie in Dresden oder zurück nach Hessen, wo sie an der Philipps-Universität Marburg Sportwissenschaften und Anglistik studierte, zu kehren. Zwar wohnt sie in Düsseldorf – immerhin auf der linken und damit der richtigen Rheinseite –, doch steckt auch schon eine Menge Neuss in ihr: Die vielen Volksfeste findet sie klasse. „Und jeder kennt jeden. Hier lässt es sich gut leben.“ Und weil es der Lehrerin für Sport, Englisch und Pädagogik an der Janusz-Korczak-Gesamtschule ein Bedürfnis ist, ihr Wissen weiterzugeben, kann sie sich sehr gut vorstellen, den Tigers als Nachwuchstrainerin erhalten zu bleiben. „Aber dann richtig, nicht nur so als Bespaßung. Ich habe halt immer diese Leistungsorientierung im Hinterkopf.“

Die Zeit in der Bundesliga ist für sie indes am Samstag definitiv zu Ende. „Ich freue mich auf das Spiel gegen die Lions, auch wenn es natürlich mega gewesen wäre, ein Heimspiel vor unseren Fans zu haben.“ Aber die von der Corona-Pandemie fast bis zur Unkenntlichkeit entstellte Saison macht ihr den Entschluss leichter, zu gehen. „Dieses Jahr war optimal, um Abschied zu nehmen. Wir haben ein cooles Team, aber die Saison war so unendlich lang, schließlich haben wir schon im August mit der Vorbereitung angefangen. Mein Körper lechzt nach einer Pause. Ich bin bereit!“

Doch für sie steht fest: „Ich habe 20 Jahre Leistungssport gemacht, da werde ich jetzt nicht ab morgen auf der Hängematte liegen. Außerdem muss ich als Sportlehrerin fit bleiben.“ Gemeinsam mit Franziska Worthmann (Heidelberg) und Britta Worms (Neuss) sind im Sommer aktive Trips zu 3×3-Basketballturnieren fest eingeplant, Tennis ist ebenfalls eine Option. „Und ich lerne nun Gitarre.“ Denn ihr Motto heißt ab jetzt: „Du muss nicht – du kannst!“

NEUSS
VON DIRK SITTERLE
Foto: WoRo